Car­bon­fa­ser­for­schung

Pro­jekt zur Car­bon­fa­ser-For­schung „Car­bon Lab­Fac­tory Sach­sen“ in Box­berg/Ober­lau­sitz

Am 16. März 2021 star­tete das Pro­jekt „Inno­Car­bEnergy: Car­bon, Sys­tems and Mobi­lity Solu­ti­ons SAXONY“ mit einem vir­tu­el­len Kick-off in seine erste Phase. Das Vor­ha­ben, an dem die Pro­fes­sur für Struk­tur­leicht­bau und Kunst­stoff­ver­ar­bei­tung der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Chem­nitz betei­ligt ist, wid­met sich der zen­tra­len Frage, wie Car­bon­fa­sern auf Basis neuer che­mi­scher Aus­gangs­sub­stan­zen, soge­nann­ter Pre­cur­so­ren, kli­ma­freund­lich her­ge­stellt wer­den kön­nen. Zum Ein­satz kom­men könn­ten hier unter ande­rem erneu­er­bare und alter­na­tive Roh­stoffe wie Cel­lu­lose oder Algen. Erwei­ter­tes Ziel des Pro­jek­tes ist die Pro­duk­tion maß­ge­schnei­derte Car­bon­fa­sern mit pro­dukt­spe­zi­fi­schen Eigen­schaf­ten, die gegen­über kon­ven­tio­nel­len Her­stel­lungs­ver­fah­ren einen Kos­ten­vor­teil von bis zu 30 Pro­zent erwirt­schaf­ten könn­ten. Gleich­zei­tig sol­len, durch die Kom­pe­tenz­bün­de­lung der Koope­ra­ti­ons­part­ner am LEAG-Kraft­werk­stand­ort Box­berg, Effekte des lau­fen­den Koh­le­aus­stiegs abge­fan­gen und ein nach­hal­ti­ger Struk­tur­wan­del auf den Weg gebracht wer­den.

Das Kraft­werk Box­berg/O.L. (Quelle Foto: www.​leag.​de)

 

Hin­ter­grund: Warum Car­bon­fa­sern?

Neben dem Koh­le­aus­stieg, der zu einer der anspruchs­volls­ten Her­aus­for­de­run­gen der ver­gan­ge­nen Jahr­zehnte gehört, kann die Ver­kehrs­wende einen wesent­li­chen Bei­trag zur Errei­chung der umwelt­po­li­ti­schen Ziele des „European Green Deal“ leis­ten. Alter­na­tive Antriebe mit Bat­te­rien und Was­ser­stoff als Ener­gie­trä­ger lie­fern bereits viel­ver­spre­chende Lösungs­an­sätze. Ein gleich­wer­ti­ger Ansatz zur Redu­zie­rung kli­ma­schäd­li­cher Emis­sio­nen ist die Redu­zie­rung beweg­ter Mas­sen. Bereits zehn Pro­zent Gewichts­er­spar­nis aller beweg­ten Mas­sen ent­sprä­chen etwa 100 Mil­lio­nen Ton­nen weni­ger CO2-Emis­sio­nen. Dass dies grund­sätz­lich leist­bar ist, bewei­sen zum jet­zi­gen Zeit­punkt bereits leichte Mate­ria­lien auf Basis von Car­bon­fa­sern, die, gegen­über klas­si­schen Bau­tei­len aus Alu­mi­nium oder Stahl, enorme Gewichts­vor­teile von 30 bis 50 Pro­zent errei­chen. Den­noch bleibt Car­bon­fa­sern, ins­be­son­dere in der Auto­mo­bil­bran­che, der Weg in den Main­stream auf­grund hoher Kos­ten und eines Eigen­schafts­port­fo­lios, das meist kaum Fle­xi­bi­li­tät auf­weist, bis­her ver­wehrt. Hinzu kommt, dass die Her­stel­lung auf Erd­öl­ba­sis, die aktu­ell Stand der Tech­nik ist, mit Blick auf die CO2-Bil­lanz einen wei­te­ren nega­ti­ven Aspekt bedeu­tet. „Um dem zu begeg­nen, för­dert der Frei­staat Sach­sen die Ent­wick­lung von High­tech-Pro­duk­ten unter Ver­wen­dung pro­dukt­spe­zi­fi­scher Car­bon­fa­sern, die mit erneu­er­ba­ren Ener­gien pro­du­ziert und mit­hilfe regio­na­ler Unter­neh­men wei­ter­ver­ar­bei­tet und ver­trie­ben wer­den sol­len. So kön­nen durch die Nut­zung bestehen­der, säch­si­scher Kom­pe­ten­zen sowohl die Inno­va­tions- und Wett­be­werbs­fä­hig­keit als auch die Attrak­ti­vi­tät der Gesamt­re­gion gestei­gert wer­den“, erklärte Tho­mas Schmidt, Säch­si­scher Staats­mi­nis­ter für Regio­nal­ent­wick­lung.

Gemein­sam Per­spek­ti­ven erar­bei­ten

Um den Para­dig­men­wech­sel hin zu einer pro­dukt­spe­zi­fi­schen und nach­hal­ti­gen Car­bon­fa­ser­her­stel­lung zu voll­zie­hen, koope­rie­ren die TU Chem­nitz und sowie das Fraun­ho­fer-Insti­tut für Ange­wandte Poly­mer­for­schung (IAP) bereits seit Beginn des Jah­res im Rah­men einer Mach­bar­keits­stu­die. Neben tech­ni­schen und wirt­schaft­li­chen Fra­ge­stel­lun­gen wer­den hier auch Stand­orte inner­halb der Gemeinde Box­berg/Ober­lau­sitz, ins­be­son­dere am Kraft­werks­stand­ort Box­berg, ana­ly­siert, die für den Auf­bau, den Betrieb und den Erhalt einer For­schungs­ein­rich­tung sowie die Ansied­lung indus­tri­el­ler Part­ner beson­ders geeig­net sind. Huber­tus Alt­mann, Vor­stands­mit­glied der LEAG, bestä­tigte: „Die Lau­sitz Ener­gie Berg­bau AG und die Lau­sitz Ener­gie Kraft­werke AG pla­nen eine Beglei­tung und Unter­stüt­zung des Vor­ha­bens, etwa in Bezug auf die The­men Flä­chen­be­reit­stel­lung, erneu­er­bare Ener­gie und Spei­cher­tech­no­lo­gien, sowie im Bereich der Ent­wick­lung und Rea­li­sie­rung eines inno­va­ti­ven Ener­gie­ma­nage­ments.“ Auf­grund der wach­sen­den Bedeu­tung von Car­bon­fa­sern und ste­tig stei­gen­den Bedar­fen an leich­ten, ener­gie­spa­ren­den Bau­tei­len soll der geplante For­schungs­be­trieb einen bedeu­ten­den Wett­be­werbs­vor­teil für den hie­si­gen Indus­trie­stand­ort schaf­fen. Dafür sind per­spek­ti­visch auch enge Koope­ra­tio­nen mit regio­na­len Unter­neh­men, Neu­grün­dun­gen sowie Nie­der­las­sun­gen geplant, die car­bon­fa­ser­ver­stärkte Leicht­bau­struk­tu­ren und -sys­teme ent­wi­ckeln, die wie­der­rum in mobi­len Anwen­dun­gen genutzt wer­den – so etwa beim Auto­mo­bil-, Schiff-, Schie­nen­fahr­zeug- und Anla­gen­bau oder in der Luft- und Raum­fahrt. „Mit der gemein­sa­men Vision einer kli­ma­freund­li­chen Trans­for­ma­tion der Region Lau­sitz von der Koh­le­wirt­schaft zu einer selbst­tra­gen­den High­tech-Region wer­den aktu­ell nach­hal­tige Tech­no­lo­gie­pfade zur Car­bon­fa­ser­her­stel­lung inner­halb des Kon­sor­ti­ums erar­bei­tet und die not­wen­dige Infra­struk­tur für den Betrieb der For­schungs- und Pilot­an­la­gen geplant. Ziel ist es, „Inno­Car­bEnergy“ auf die­ser Grund­lage dau­er­haft als Brü­cken­schlag zwi­schen Wis­sen­schaft und Wirt­schaft in der natio­na­len und inter­na­tio­na­len For­schungs­land­schaft zu posi­tio­nie­ren“, sagte Prof. Dr. Lothar Kroll, Koor­di­na­tor des For­schungs­clus­ters MERGE.

Vision: Car­bon Lab­Fac­tory Sach­sen

Auf Basis der bereits abge­schlos­se­nen Mach­bar­keits­stu­die sol­len zukünf­tig voll­aus­ge­stat­tete, den regio­na­len Kon­di­tio­nen ent­spre­chende For­schungs-Pilot­li­nien zur Her­stel­lung von Pre­cur­so­ren und Car­bon­fa­sern kon­zi­piert, auf­ge­baut und betrie­ben wer­den, um neu­ar­tige Fer­ti­gungs­ver­fah­ren und Metho­den des Ener­gie­ma­nage­ments zu ent­wi­ckeln und unter pra­xis­na­hen Bedin­gun­gen zu erpro­ben. Aus­ge­hend von alter­na­ti­ven Roh­stof­fen bei­spiels­weise auf Bio­kunst­stoff­ba­sis, sol­len so in Kom­bi­na­tion mit inno­va­ti­ven Spinn- und Car­bo­ni­sie­rungs­tech­no­lo­gien maß­ge­schnei­derte und kli­ma­ver­träg­li­che Mate­ria­lien neus­ter Gene­ra­tion ent­ste­hen. In wei­te­ren Schrit­ten ist geplant, die Pilot­li­nie um tex­til­bil­dende und kunst­stoff­tech­ni­sche Fer­ti­gungs­mo­dule sowie auto­ma­ti­sierte Schnitt­stel­len für die ener­gie­ef­fi­zi­ente Bau­teil­her­stel­lung zu ergän­zen und zu kom­plet­tie­ren. Als „Inno­Car­bEnergy-Val­ley“ soll der geplante Kom­plex den Grund­stein für die Ansied­lung wei­te­rer Unter­neh­men und eine euro­pa­weit bis­her nicht vor­han­dene For­schungs­land­schaft bil­den.

Finan­ziert wird die Maß­nahme aus Bun­des­mit­teln des Struk­tur­stär­kungs­ge­set­zes sowie aus Steu­er­mit­teln auf Grund­lage des vom Säch­si­schen Land­tag beschlos­se­nen Haus­hal­tes.